Paimio Sanatorium von Aino und Alvar Aalto

Idee | Entwurf | Umsetzung

Nach einem gewonnen Wettbewerb 1929 konnte das von Aino und Alvar Aalto entworfene Tubekulose-Sanatorium 1933 in Paimio eröffnet werden. Das Bauwerk war und ist so bemerkenswert, dass es dem Architektenpaar erstmals auch internationale Aufmerksamkeit brachte.

Für die hoch ansteckende Krankheit gab es in der damaligen Zeit keine medikamentöse Behandlung. So war es wesentlich die Erkrankten zu isolieren um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen und ihren Allgemeinzustand zu verbessern. Hygiene, frische Luft, Isolation und eine wohltuende Umgebung waren die Heilmittel. Deshalb auch die etwas abgelegene Lage des Sanatoriums, 25 km von der ehemaligen Hautstadt Finnlands Turku entfernt.

Das Bauwerk ist ein Zeitzeuge des neuen Funktionalismus, in dem markante Betonkonstruktionen und neue Bautechnik die Funktionalität der Architektur unterstützten. Paimio verkörpert Aaltos Streben nach einer Architektur, die Mensch, Natur und Bau verbindet. So war es nach dem Funktionsprinzip Ziel, dass die Bauten ein heilendes Element sind.

Aalto entwickelte auf Grund der Erfahrung eines eigenen Krankenhausaufenthalts den „Horizontaler Mensch“  mit Blick auf diese besondere Position eines Patienten. Die Zimmer des Sanatoriums wurden so gestaltet, dass Licht, Farbe, Heizung und Schall Komfort bieten, insbesondere für Patienten, die auf dem Rücken liegen. Die dunkel bemalten Decken sollen beruhigen, eine Augenbelastung verhindern und keine Blendung verursachen.

Tuberkulose wird durch Bakterien übertragen und befällt vorwiegend die Lunge und erschwert das Atmen. Deshalb war es Voraussetzung, dass alle Oberflächen leicht zu reinigen und die Räume gut zu lüften waren. Rundungen verhinderten schlecht zu reinigende Ecken und der Verzicht auf Ornamente ergab sich schon aus dem Funktionalismus. Die Innenflächen waren strapazierfähige, gut zu reinigende Linoleum, Kacheln, lackierte Oberflächen und Sitzgelegenheiten ohne feste Polster. Ein speziell leises Waschbecken wurde zum Wohl der Patienten entwickelt und die Leitungen waren schallgedämmt.

Die Farbkonzept mit den gelben Böden des Haupttreppenhauses, die verschiedenfarbigen Flure, die dunklen Decken der Patientenzimmer und die orangefarbenen Geländer der Balkone wurde von Aalto gemeinsam mit dem Künstler Eino Kauria entworfen (1903-1997). Und auch wenn Aalto schon beim Bau nicht mehr glücklich war mit dem Gelb, leuchtet die Farbe auch heute noch voller Energie.

Der Gesamtkomplex wurde bis ins kleinste Detail der Einrichtung durch das Ehepaar Aalto entworfen. So entstanden viele speziell für das Sanatorium entworfene Möbel aber auch Türgriffe, Lampen und weitere Gebrauchsgüter eines Sanatoriums. Einige der Objekte wurden zu den zentralen Produkten des 1935 gegründeten Unternehmens Artek, insbesondere der damals neuartig aus gebogenem Sperrholz gefertigte Paimio-Stuhl. Die Form des Stuhls, welcher zu einem Designklassiker wurde, sollte das Atmen der Patienten erleichtern. Jedes Objekt und Detail wurde geplant, auch bei Nebenräumen oder Aufputzleitungen.

Alle Flügel hatten ihre gesonderte Nutzung. Wichtig war den Architekten auch, dass die Patienten den ganzen Tag Sonnenlicht geniessen konnten. Die grosse Dachterrasse machte dies für die Patienten möglich, deren Gesundheitszustand noch keinen Spaziergang durch den Kiefernwald zuliess. So war es Teil der Therapie, auch im Winter mehrere Stunden an der frischen Luft zu verbringen.

Zum Ensemble gehört neben dem Hauptgebäude mit verschiedenen Flügeln das Haus des Oberarztes, Reihenhäuser, die Leichenhalle, Garagen und externe technische Räume.


Folgejahrzehnte

Ende der 1950er Jahre führte die Entwicklung von Impfstoffen und Antibiotika zu einem Rückgang der Tuberkulosefälle und das Sanatorium wurde nicht mehr für seinen ursprünglichen Zweck benötigt. Es folgte, wie an vielen anderen Orten auch, die Umnutzung zum Krankenhaus. Nach den Plänen von Aaltos Büro entstand neben dem Hauptgebäude ein Operationstrakt.

In den 1960er Jahren entstanden weitere Personalwohnungen im Reihenhaus Kyykartano, das sich durch den Kiefernwald schlängelt.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte gab es viele nötige Renovierungs- und Anpassungsarbeiten an den Gebäuden des Krankenhauses. Für die Planung waren von 1976 bis 1994 Alvar Aalto & Co, Elissa Aalto und seit 1996 das Architekturbüro LPR Ltd. verantwortlich.
So haben die Hauptmerkmale der Architektur, sowie viele Originalmöbel überlebt oder konnten rekonstruiert werden.

2004 wurde das Paimio Sanatorium in die vorläufige Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

2015 wurde der Betrieb des Krankenhauses eingestellt, da die Gebäude die Anforderungen an ein heutiges Krankenhaus nicht mehr erfüllen konnten.

2018 wurde das Gebäudeensemble zum Verkauf ausgeschrieben.


wie weiter?

Das Paimio Sanatorium gehört seit 2020 der Paimio Sanatorium Foundation, welche  gegründet wurde um das Gebäude zu erhalten und seine Vision für zukünftige Generationen zu bewahren.

Mirkku Kullberg, CEO der Stiftung, und Joseph Grima, ihr Kurator, beriefen im Oktober 2023 eine Konferenz mit einigen der führenden Persönlichkeiten aus Kultur, Design und Denkmalschutz ein, um darüber nachzudenken, was es bedeuten könnte, Paimios Vermächtnis als „Manifest für eine Architektur der Empathie, der Fürsorge und der Menschenwürde“ fortzusetzen.

Aktuelle Idee ist es, das Ensemble als Zentrum für Kultur, Bildung und Wellness neu zu gestalten. Ein Plan für ein Gesundheits- und Wellness-Retreat einer neuen Art liegt auf dem Tisch. Die Paimio Foundation hat den ehrgeizigen Plan rund 40 Millionen Euro zu sammeln. Das siebenstöckige Hauptgebäude soll in den ehemaligen Krankenzimmern 146 Hotelzimmer beherbergen. Mehrere Saunaräume, die mit der Bildsprache von Aaltos Struktur von 1933 übereinstimmen, werden weitere zentrale und typisch finnische Nutzungen sein. Die neue Nutzung soll weiter über das typische Spa-Erlebnis hinausgehen.

Fazit

Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, auch für weniger Architekturbegeisterte.

Für mich war es auch in eine Reise in meine Zeit als Architektin. Besonders mein erster Lehrmeister Dr. Frank Krayenbühl ermöglichte mir den Einblick in diese mich so begeisternde Welt der Architektur wo es nicht nur darum ging, irgendwelche Baumaterialien mehr oder weniger beliebig aneinander zu Reihen. Die Nutzer und ihre Bedürfnisse standen im Mittelpunkt. Unter diesem Aspekt wurde bis ins kleinste Detail geplant, damit ein Gesamtkunstwerk entstand. Ja, so sehe ich gute Architektur, ein Kunstwerk.

Natürlich gibt es verschieden Antworten auf Fragen und vielfältige Lösungen. Nicht immer sind es die, welche ich wählen wurde oder die (Architektur)Sprache die ich sprechen würde. Die Auseinandersetzung mit der Frage, die Lösungssuche und die Sorgfalt bis ins Detail werden aber für mich in guter Architektur immer deutlich.

Ich will nicht alles schön reden oder gar verherrlichen. Wo Neues entsteht passieren Fehler. Rückblickend würde man vielleicht anders reagieren. Neues löst meist auch Widerstand aus. Zudem sind Gewichtungen der Themen unterschiedlich. Die Krankenschwester hat eine andere Gewichtung und vielleicht zuerst lieber das Gewohnte. Bemängelt wurden unter anderem die zu geringen Vordächer und gewisse kaum zu reinigende Glasflächen.

Fehler passieren und sie geben die Möglichkeit daraus zu lernen. Dafür muss man hinsehen und reflektieren.

Besichtigung

2025 ist die Besichtigung nur im Sommer möglich.

Juli
Montag – Sonntag 10:00–17:00
August
Mittwoch – Sonntag 10:00–16:00 Führungen in Englisch und Finnisch – Zeiten siehe ersten Link.

Quellen:

https://paimiosanatorium.com

https://www.alvaraalto.fi/en/architecture/paimio-sanatorium

https://www.finnishdesignshop.com/design-stories/architecture/alvar-aalto-and-the-paimio-sanatorium

https://www.archpaper.com/2024/03/what-future-aalto-landmark-paimio-sanatorium/

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