Karosta ist ein Stadtteil nördlich von Liepājas, welcher1890 unter Zar Alexander lll. als Stützpunkt der Russischen Ostseeflotte, auch wegen seiner ganzjährigen Eisfreiheit erbaut wurde. Lange Zeit war das Gebiet ein abgeschotteter, russischer Militärstadtteil. Es gab eine eigene Post, die grösste orthodoxe Kirche in Lettland, eine eigene Energieversorgung und eine umfassende Infrastruktur. Die Versorgungslage für die Angehörigen der Sowjetischen Streitkräfte war oftmals besser als für die lettische Bevölkerung Liepājas. Auf Karten waren das Gebiet und die Bauten aus Sicherheitsgründen nicht zu sehen.
Die gesamte Küste war mit Bunkeranlagen, Artillerie, Türmen und unterirdischen Gängen zubetoniert worden. Aber auch an Land zog sich ein Band an Bungeranlagen, grossen Festungen wie das Redan, Wassergräben, Schützengräben und anderen Bauwerken einmal um die Stadt. Innerhalb entstanden Wohnblocks, Verwaltungsgebäude und eine eigene Versorgung. Karosta war eine eigene Stadt und eine Festung.
Festungsbatterie Nr. 1
Das Nordforts, Festungsbatterie Nr. 1, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von der russischen Zarenarmee erbaut. Im November 1908, weniger als zehn Jahre nach ihrer Erbauung, wurde die Festung stillgelegt, da man feststellte, dass die Anlange ein strategischer Fehler war. Einige Kanonen wurden demontiert und zur Festung Kaunas in Litauen gebracht, andere wieder eingeschmolzen. Die Befestigungsanlagen wurden um sie zu zerstören zweimal gesprengt. Es zeigt sich aber bis heute, wie widerstandsfähig die Bauten sind. Wer sich für Bauen interessiert, kann viele Details wie Materialien und Konstruktion erkennen.
Wie Karosta waren auch die Nordforts während der sowjetischen Besatzung militärisches Sperrgebiet. Heute kann man das Gebiet mit etwas Vorsicht gut auf eigene Faust besuchen. Es ist nichts gesichert und natürlich besteht überall eine gewisse Ein- und Absturzgefahr.
Batterie Nr. 2
Batterie Nr. 2 wurde im Gegensatz zu den Nordfestungen weiter von der Küste entfernt gebaut und durch die Sanddüne geschützt. Zum Schutz dienten 16 Mörser, ein Belagerungsgeschütz für Steilfeuerwaffen. In der Batterie Nr. 2 waren stets Munitionsdepots für die Truppen der verschiedenen Mächte eingerichtet. Aufgrund der Explosionsgefahr war das streng bewachte Gebiet über 130 Jahren sehr eingeschränkt zugänglich und für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Gebäudekomplex der Küstenbatterie Nr. 2 hat seinen historischen Charme und architektonischen Umfang vollständig bewahrt und kann heute mit Führung besichtig werden.
Batterie Nr. 3
Die Hauptaufgabe der Artilleriebatterie Nr. 3 war es, den Hafen beim Angriff vom Norden zu schützen. Die Streitkräfte des Russischen Zarenreichs haben die Batterie beim Rückzug in 1915 gesprengt.
Diese Forts und der Kanal waren die ersten Bauten Karostas. Weitere Bauten, die auch heute noch besichtig werden können, sind die orthodoxe Marinekathedrale von St. Nikolaus, das Nord-Pier, die Drehbrücke, der Wasserturm, das Gefängnis, die Marinebrieftaubenstation, die Festung Redan und die Sporthalle.
St. Nikolaus Dom
Neben den heruntergekommen Plattenbauten erschlagen einen die goldenen, funkelnden Zwiebeltürme des orthodoxen St. Nikolaus Doms auch bei schlechtem Wetter fast. Die grösste orthodoxe Kirche Lettlands ist wirklich imposant. Die 1903 eingeweihte Kirche wurde dem Heiligen der Seefahrer, dem Heiligen Nikolaus geweiht. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurden viele Kirchengegenstände, wie Glocken und Statuen, nach Russland gebracht. Den Rest plünderten dann Soldaten der deutschen Besatzungsarmee. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in der Kathedrale einen Sportsaal, ein Kino und einen Gesellschaftsraum für Matrosen und Soldaten eingerichtet. Um die hervorragende Akustik für Filmvorführungen zu dämpfen wurde der zentrale Dom zubetoniert. Die Restaurierung begann 1994 und ist heute im Äusseren abgeschlossen. Im Inneren ist die Kathedrale eher leer und kahl.
Nord-Pier
Das Nord-Pier entstand mit dem Kanal und ist etwa zwei Kilometer lang. Vom Pier hat man einen guten Ausblick und er ist besonders zum Sonnenuntergang bei den Einheimischen beliebt. Auf dem Parkplatz davor gibt es in den Sommermonaten ein Cafe in einem alten Tram.
Kalpaka-Brücke
Die 1906 erbaute Kalpaka-Brücke ist die einzige Drehbrücke in Lettland und noch immer in Betrieb. Wer vom Hafen Liepāja im Süden kommt, fährt über diese Brücke mit Holzfahrbahn vielleicht ohne zu merken, dass es eine Drehbrücke ist.
Wasserturm
Der Wasserturm war für die gesamte Wasserversorgung des Stadtteils ausreichend. Durch seine Architektur und den Roten Backstein ist er von weit her zu erkennen.
Gefängnis
Das Gefängnis wurde Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet. Es war ursprünglich als Spital geplant, wurde aber nie als solches genutzt. Ab 1905 sassen im Gefängnis die Seeleute, die an revolutionären Aktionen teilgenommen hatten. Später nutzten es die Sowjetarmee und die Marine der lettischen Armee bis 1997 als Gefängnis. Heute kann man die Räume besichtigen, russisch essen und sogar vor Ort übernachten.
https://www.latvia.travel/de/sehenswurdigkeit/gefaengnis-von-karosta
Marinebrieftaubenstation
Die Marinebrieftaubenstation wurde um1900 mit Platz für 450 Brieftauben gebaut. Die Marinebrieftaubenstation bestand fast zwanzig Jahre lang und war eine Möglichkeit für den Nachrichtenverkehr mit den Schiffen auf offener See. In den folgenden Jahren wurde das Gebäude mehrmals umgebaut und ist heute ein Wohnhaus. Doch die spezielle Form aus dem für Karosta typischen Rotziegeln gebauten Gebäudes ist immer noch deutlich erkennbar.
Redan
Redan ist ein Teil der ehemaligen Festung und ein grosses, von Wasser umgebenes Fort mitten im Wald. Es ist der einzige Ort, wo Kämpfe stattfanden. Am 14. November 1919 kämpfte man hier gegen die Bermondt-Armee für ein unabhängiges Lettland. Seit dem Frühjahr 2022 ist ein Museum auf dem Gelände eröffnet mit den Themen Militäranlage Karosta, Unabhängigkeitskrieg und die Schlacht im November 1919 in Redan. Seit der Eröffnung findet jährlich ein Festival statt, an dem vor Ort Kunst entsteht. Diese Objekte und die Festung sind jederzeit zu besuchen. Das Museum ist nur zu gewissen Zeiten geöffnet.
https://www.karosta.lv/redans
Sporthalle
Bis zum Ersten Weltkrieg wurde die Sporthalle für das Sporttraining der Matrosen genutzt. In dem Raum, der mehr als 4000 Leute aufnehmen konnte, wurden auch offizielle Empfänge und Feste abgehalten. Heute sind von der riesigen Halle nur noch die Aussenwände erhalten und frei zu besichtigen. Man bekommt auch so ein Gefühl für die Grösse und Architektur.
Nach der Unabhängigkeit des Baltikums 1991 und dem Abzug der etwa 20.000 bis 26.000 sowjetischen Soldaten, sowie der Verlegung der ehemaligen Hauptbasis der Russischen Ostseeflotte mit etwa 30 Atom-U-Booten und 140 Kriegsschiffe wurde Karosta ein verwahrloster und nur zu etwa einem Drittel bewohnter Stadtteil Liepājas. Die zurückgebliebenen russischen Bewohner hofften vergebens auf ein besseres Leben. Auch heute ist der Stadtteil nur teilweise bewohnt und eher heruntergekommen. Viele Jahre waren Drogen und Alkohol ein grosses Problem der Bewohner. Verschiedene Projekte versuchen den Menschen Halt und Perspektive zu geben.
Freedom Trail
Wer das gesamte Gebiet erkunden will, dem sei der Freedom Trail zu empfehlen.
Die Route findet ihr auch bei Kamot https://www.komoot.de/smarttour/34031553?ref=atd
Für mehr Infos
https://www.daserste.de/information/politik-wel…
